15.06.2022
Wie entsteht ein guter erster Eindruck?
Es gibt eine wiederkehrende Situation, die ich schon in verschiedenen Kontexten erlebt habe und die mich nachdenklich macht. Von einem Ereignis möchte ich Ihnen beispielhaft erzählen.
Ich sitze im Wartezimmer meiner Ärztin. Da ich schon öfter bei dieser Ärztin war, sind mir die Abläufe bekannt. Nach einer Weile werde ich aufgerufen und in Behandlungszimmer 3 gebeten.
Irgendwann kommt nicht meine Ärztin, sondern eine andere Frau im weißen T-Shirt hinein. Sie setzt sich mir gegenüber, schaut in ihren Computer, dann zu mir und fragt: »Welche Beschwerden haben Sie?«
Die Frage ist nicht unfreundlich gestellt, ich könnte direkt loslegen und von meinem Problem erzählen. Aber ich bin verunsichert. Wer ist die Frau? Ist sie die Sprechstundenassistenz, die vor der Behandlung schon einen Fragebogen mit mir durchgeht? Ist sie eine Ärztin im Praktikum, eine Vertretungsärztin, ist dies eine Gemeinschaftspraxis und ich habe das bisher nicht mitbekommen?
Ich weiß, Ärzt*innen haben oft nicht viel Zeit für einzelne Patient*innen. Dafür habe ich viel Verständnis.
Dennoch: Ein kurzer Satz zur Begrüßung kostet nicht viel Zeit und bewirkt (zumindest bei mir) Wunder: »Guten Tag Frau Diehl, ich bin Frau Dr. Schmidt und vertrete diese Woche Frau Dr. Schulze. Mit welchen Beschwerden kommen Sie heute hierher?«
Warum erzähle ich Ihnen diese Geschichte?
Dieser erste Eindruck ist so wichtig und gilt aus meiner Sicht auch für viele andere Situationen, in denen wir Kontakt zu Mitarbeiter*innen, Kund*innen und Klient*innen herstellen. Ein freundlicher Blick in die Augen, eine zugewandte Körperhaltung, die Nennung des eigenen Namens und die Ansprache der anderen Person mit Nennung ihres Namens.
Foto: Matthias Sasse
27.04.2022
Wenn Kinder nicht (gut) sprechen
Zu diesem Thema habe ich gestern im Auftrag vom Bildungswerk ver.di Sachsen-Anhalt e. V. ein Seminar für Erzieherinnen in Kindergärten geleitet.
Das Bild zeigt Themen, die im Zusammenhang mit dem Spracherwerb von Kindern erwähnt werden sollten und über die ich mit sehr aufgeschlossenen Teilnehmerinnen ins Gespräch gekommen bin.
10.03.2022
Miete oder Mitte?
Das Foto ist 2016 im Goethe-Institut in Hanoi entstanden. Damals habe ich mit zwei Kolleginnen für mehrere Monate zusammengearbeitet, um die Lehrenden für das Thema Aussprache im Deutschunterricht zu sensibilisieren. An der Tafel halten wir unsere Vorgehensweise fest, die ich auch heute verfolge, wenn ich Aussprachetrainings durchführe:
1. | Das Gehör muss sich an eine neue Sprache und auch an neue Laute gewöhnen. Hörübungen sind extrem wichtig! Es geht darum, phonetische Merkmale auditiv zu erkennen und sie zu unterscheiden (z. B. lange und kurze Vokale in Miete / Mitte). |
2. | Danach gilt es, sich phonetische Merkmale bewusstzumachen. Die Lernenden erarbeiten sich Regelmäßigkeiten (z. B. dass ein E am Wortende, wie in Miete und Mitte, immer unbetont und nicht gespannt wie das E in See ist) und verstehen Sprechbewegungsabläufe. |
3. | Schließlich folgt der dritte Schritt: Das Üben. Die erarbeiteten und entdeckten Regelmäßigkeiten werden trainiert und Sprechbewegungsabläufe automatisiert. Ein beliebtes Automatisierungsspiel ist »Koffer packen«, dabei wird ein bestimmter Satzteil immer wiederholt, so dass sich Sprechmuster einprägen können. |
Ich wünsche Ihnen, dass Sie gut verstehen und verstanden werden!
22.02.2022
Sprache im Wandel
Im Spätsommer 2021 saß ich mit drei sehr interessanten Frauen im #Kulturkollektiv in Magdeburg und war Teil einer Gesprächsrunde. Die Fragestellung war: Wie reden wir mit und über andere und welche Auswirkungen hat das auf die Gesellschaft?
Nun ist das Interview im Magazin präsent erschienen. Es beinhaltet viele besondere Beiträge von Magdeburger*innen und zeigt, wie vielfältig unsere Stadt und die Gesellschaft ist.
Schön, dass ich ein Teil davon sein kann!
Titelfoto der Ausgabe: Julia Skopnik
18.01.2022
Richtich jute Worte.
Die Initiative #lieblingskietz im Magdeburger Stadtteil Stadtfeld gibt kleinen Läden, Geschäften, Cafés und Kneipen ein Gesicht. Seit vergangenen Freitag gehöre ich auch dazu: zu den »richtich juten Leuten mit ihrem richtich juten Zeug und ihren richtich juten Ideen« :-).
Ich freue mich sehr über diese Sichtbarkeit im neuen Jahr und danke dem Geschäftsstraßenmanagement für das tolle Engagement!
Bild: lieblingskietz
21.12.2021
Plätzchen essen und besser sprechen?
Das klingt erstmal paradox, aber mit der richtigen Technik können alle Naschkatzen stimmlich und sprecherisch vom Plätzchenessen profitieren.
Bevor der Mensch sprechen konnte, hat er schon gekaut. Und fürs Sprechen benötigen wir dieselben Muskeln wie fürs Kauen. Wenn wir das Plätzchen nun ganz genüsslich kauen und dabei wohlig vor uns hin summen – mmmjom mmmjam mmmjum – dann tun wir unserer Stimme und unserer Aussprache einen großen Gefallen. Die Stimm- und Sprechorgane sind durch lockere Spannungsverhältnisse und Artikulationsbewegungen sehr entspannt. Und durch eine ausgiebige Kieferöffnung wirken wir einer undeutlichen Aussprache (dem sogenannten Nuscheln) entgegen.
Advents- und Weihnachtszeit ist Plätzchenzeit, guten Appetit!
07.12.2021
Wer kennt das nicht?
Dieses eine Lied, dass wir morgens im Radio gehört haben, will einfach nicht aus dem Kopf verschwinden. Und zwar den ganzen Tag lang!
Ich schlage vor, dieses Phänomen ab sofort ganz positiv zu sehen und den Ohrwurm für ein kleines stimmliches Warm up zu nutzen: In meinem Kopf ist also dieser Song – sagen wir »Poster Girl« von Mar Malade. Er will nicht verschwinden, also summe ich ihn vor mich hin. Mit geschlossenen Lippen, ganz unverkrampft. Hmmhmmhmm hmhmhm hmmmm …
Unsere Stimmlippen im Inneren des Kehlkopfes erhalten dadurch eine kleine Massage. Vor dem ersten Meeting kommt die Stimme somit schon mal in Schwung. Vor dem zweiten Meeting übrigens auch :-).
Welchen Ohrwurm hatten Sie zuletzt im Kopf?
16.11.2021
Drei Tipps gegen Lampenfieber
ATMEN: Diese Übung geht im Liegen, Sitzen oder Stehen: Schließen Sie die Augen und atmen Sie. Ruhig einatmen, ruhig ausatmen. Am besten durch die Nase. Einatmen, ausatmen. Schicken Sie Ihre Aufmerksamkeit nun direkt auf Ihren Bauch. Atmen Sie dorthin und beobachten Sie, wie sich die Bauchdecke beim Einatmen hebt und beim Ausatmen senkt. Sie werden ruhiger und sind dadurch für einen Moment nur auf Ihre Atmung konzentriert, nicht auf das was vorher war oder noch kommt. Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen, einatmen, ...
DEN EINSTIEG ÜBEN: Lampenfieber wird oft kleiner, wenn Sie gut vorbereitet sind. Dann ist eine Unsicherheit aus der Welt geschafft. Was ist aber, wenn Sie moderieren? Das lässt sich nicht so detailliert vorbereiten wie bspw. eine PowerPoint-Präsentation. Da hilft es sehr, den Anfang zu üben: Wie leiten Sie die Veranstaltung ein? Überlegen Sie sich Ihre Worte genau und sprechen Sie sie ein paar Mal durch. So reden Sie Sich warm, im Idealfall vor einem (kleinen) Testpublikum.
REALITY CHECK: Sie sind sehr gut vorbereitet, haben bewusst geatmet und den Einstieg geprobt. Und trotzdem ist das Lampenfieber noch da. Was nun? Prüfen Sie die Fakten und verzetteln Sie sich nicht in Ihren (unrealistischen) Befürchtungen. Hätten Sie sich (noch) besser vorbereiten können? Vermutlich nicht. Wie oft haben Sie schon vor anderen gesprochen und es kam gut an? Sicher schon einige Male, sonst hätte man Sie für diesen Auftritt nicht eingeladen.
20.10.2021
Hochdeutsch und Tiefdeutsch
In der ZEIT gibt es jede Woche die Rubrik »Wortschatz«. Darunter sind oft sehr schöne, meistens aus der Mode gekommene Begriffe. Diese Woche gibt es zum Wort auch eine niedliche Anekdote.
Mich verleitet sie sofort dazu, aus dem Expertinnen-Nähkästchen zu plaudern. In der Sprach- und Sprechwissenschaft wird nämlich nicht der Begriff »Hochdeutsch« verwendet.
Die (Aus-)Sprache, die in Schulen gelehrt und gesprochen wird, die in vielen öffentlich-rechtlichen Medien präsent ist und zur allgemein verständlichen Kommunikation beiträgt, wird in Fachkreisen »Standard(aus)sprache« genannt. Und für alle, die noch mehr vertragen: Dialekte werden im deutschsprachigen Raum als Varietäten bezeichnet.
Der Begriff »Hochdeutsch« suggeriert, dass es sich um besseres Deutsch handelt. So ging es vermutlich dem vierjährigen Enkelsohn, der das Wort »Tiefdeutsch« entgegensetzt. Natürlich ist Hochdeutsch nicht besser als ein Dialekt, es trägt aber häufig zu mehr Verständlichkeit bei.
Welches (seltene) Wort aus Ihrem Sprachgebrauch mögen Sie gern?
12.10.2021
Sprache und Macht
Zu diesem Thema war ich am Wochenende Teil einer sehr diskussionsfreudigen Runde. Für die Vorbereitung habe ich mich mit Lektüre eingedeckt, die ich sehr empfehlen kann:
Jessica Bennett (2018): Feminist Fight Club. Wie sich Frauen am Arbeitsplatz erfolgreich durchboxen.
Kübra Gümüsay (2021): Sprache und Sein.
Daphna Joel mit Luba Vikhanski (2021): Das Gehirn hat kein Geschlecht. Wie die Neurowissenschaft die Genderdebatte revolutioniert.
GEO (09/2021): Wie gerecht ist Sprache? Der erbitterte Streit um das Gendern und eine bessere Gesellschaft.
Anatol Stefanowitsch (2018): Eine Frage der Moral. Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen.
29.09.2021
Über das Zuhören als unterschätzte Eigenschaft
Ich habe schon einmal übers Zuhören geschrieben, nämlich darüber, dass Zuhören eine Kunst ist. In den meisten Fällen macht es mir Spaß, zuzuhören und das ist auch mein Job: Ich höre zu, damit ich anschließend ein Feedback auf feinste Nuancen geben kann, z. B. in der Aussprache.
Zuhören ist jedoch nicht immer leicht. Wer über ein gesundes Hörorgan verfügt, kann hören. Aber um zuhören zu können brauchen wir u. a.
_ | ein Verständnis für die Sprache, |
_ | Interesse am Thema, |
_ | Offenheit für Neues und |
_ | Aufmerksamkeit, denn wir lassen uns leider viel zu oft ablenken. |
Ich spreche während eines Gesprächs an, wenn mich etwas sehr ablenkt oder irritiert. Wenn dann das Radio ausgeschaltet wird oder wir ein ruhigeres Café gefunden haben, bin ich schlagartig viel aufmerksamer.
22.09.2021
Wer mich gut kennt, weiß, dass ich so einen Satz nicht laut sagen würde. Bestimmt fühlt sich der eine oder die andere aber angesprochen. Ich möchte Ihnen heute einige Tipps mitgeben, die dazu beitragen können, einen Dialog für beide Gesprächspartner*innen zu einem positiven Erlebnis zu machen.
In einem Gespräch ist es normal, dass sich unsere Gedanken BEIM Sprechen entwickeln, nicht davor. Heinrich von Kleist hat es 1805 so formuliert:
»Ich glaube, daß mancher großer Redner, in dem Augenblick, da er den Mund aufmachte, noch nicht wußte, was er sagen würde. Aber die Überzeugung, daß er die ihm nötige Gedankenfülle schon aus den Umständen, und der daraus resultierenden Erregung seines Gemüts schöpfen würde, machte ihn dreist genug, den Anfang, auf gutes Glück hin, zu setzen.«
Sprechängstliche Menschen machen häufig gar nicht erst einen Anfang. Von diesen Personen spreche ich heute jedoch nicht. Ich meine jene, die zwar einen Anfang wagen, oft aber keine Struktur haben und dann auch kein richtiges Ende finden.
Wenn Sie wissen, worauf Sie mit Ihrem Gesprächsbeitrag hinauswollen, dann können folgende Sprechtipps helfen, das Gesagte auch für Ihr Gegenüber zu einem schönen Erlebnis zu machen:
_ | Sprechen Sie nicht schneller, als Ihr Gegenüber mitdenken kann. Hilfreich dafür ist es, deutlich zu sprechen. |
_ | Machen Sie Pausen beim Sprechen. Das hilft dem Anderen beim Mitdenken. Und sicher auch Ihnen. |
_ | Setzen Sie wirklich einen Punkt ans Ende. Mit dem Absenken Ihrer Stimme wird das auch akustisch deutlich. Dadurch weiß die andere Person, dass ein Dialog erwünscht ist und sie reagieren kann. |
17.08.2021
Die Stadt Hamburg hat ihre Mülleimer verkleidet. Vergangene Woche musste ich sehr schmunzeln, als ich diesen hier entdeckt habe.
Weil es ein schönes Wortspiel ist? Nicht nur!
Denn das kann auch den Magdeburger*innen passieren:
_ | Aus Wäsche wird Wösche, |
_ | aus Elf wird Ölf, |
_ | aus Brille wird Brülle. |
Und wer weiß, vielleicht spricht auch mal jemand »Mülle grazie!« statt »Mille grazie!«.
05.08.2021
Heute Morgen habe ich einen kurzen Radiobeitrag gehört, in dem die Anmoderation »Balkoooon« und die Sprecherin des Beitrags »Balkong« sagte. Verwirrend, oder? Wie wird das Wort Balkon denn nun richtig ausgesprochen?
Antwort: Es kommt darauf an.
Für mich gibt es zwei Instanzen: Wie höre ich es in meinem Umfeld und was sagen der Duden oder das Deutsche Aussprachewörterbuch (DAWB)?
Die Universität Salzburg hat 2017 eine Umfrage dazu erhoben. Man kann grob sagen: In der Mitte und im Norden Deutschlands spricht man »Balkong«, im Süden »Balkoon«.
Im Duden und im DAWB steht neben der eingedeutschten Variante »Balkong« auch die Originalaussprache mit französischem Nasalvokal am Wortende, denn auch diese Aussprache findet sich in einigen Regionen Deutschlands, die Nähe zur französischen Grenze haben. Der Duden hat zudem die süddeutsche Aussprache »Balkoon« aufgenommen.
Und wie sprechen Sie Balkon aus?
28.07.2021
Zurzeit habe ich einen Auftrag beim Goethe-Institut in Vietnam. Ich entwickle Material mit Übungen für eine verständliche deutsche Aussprache.
Wörter wie GLÜCKSPILZ sind eine große Herausforderung für vietnamesische Deutschlerner*innen. Da stecken nämlich viele komplexe Konsonantenverbindungen drin:
GL – CKS – LZ
Der Buchstabe Z besteht sogar aus zwei Lauten, [t] und [s].
Fallen Ihnen auch schwierige deutsche Wörter ein? Brauchen Sie Unterstützung beim Erlernen der deutschen Aussprache? Sprechen Sie mich an!
20.07.2021
Dieses Buch kann ich sehr empfehlen:
René Borbonus schreibt so klar und verständlich, dass ich große Lust habe, ihn mal wieder sprechen zu hören. Er schreibt anschaulich darüber, wie wir in unserer Kommunikation mehr Klarheit gewinnen. Wie können wir klar kommunizieren, uns also verständlicher ausdrücken? Ich habe viel über heilige Kühe, Klarheitsbremsen und Schwarmintelligenz gelernt.
08.07.2021
Mit Dialektsprecher*innen arbeite ich wie folgt: Wir beschäftigen uns damit, wie der entsprechende Laut korrekt gebildet wird und probieren verschiedenste Übungen zur Veränderung aus. Nicht alles passt zu jeder Person. Ganz entscheidend ist daneben noch etwas anderes:
DAS HÖREN
Kinder lernen ihre Erstsprache über ihr Gehör, sie nehmen Geräusche, Melodien und Laute wahr und versuchen, diese zu imitieren. Nicht anders ist das bei uns Erwachsenen, wenn wir eine neue Sprache erlernen, wir uns von einem Dialekt lösen oder ihn imitieren möchten.
Dazu hören wir uns gemeinsam immer wieder Sprechproben an. Meine Klient*innen vergleichen ihre eigene Aussprache mit der Standardaussprache. Es wird gehört, geübt, gesprochen und gehört, geübt, gesprochen usw. (Sprech-)Gewohnheiten ändern sich zumeist nicht von heute auf morgen. Ich unterstütze Sie dabei, dass es sich leicht anfühlt.
30.06.2021
Wer eine fremde Sprache erlernt, braucht nicht nur Wissen über Grammatik, Wortschatz und Satzbau, sondern auch über die Phonetik (= Aussprache).
In der Phonetik wird in zwei Gebiete unterteilt:
Es gibt die Laute (Segmente), die je nach Herkunftssprache bei gleicher Schreibweise eine ganz diverse Realisierung im Vergleich zum Deutschen haben können, z. B. <th> im Englischen oder <r> im Japanischen.
Über den Lauten (suprasegmental) liegen Phänomene, die den typischen Klang einer Sprache ausmachen: Wortakzent, Satzakzent, Pausen und Melodie. Dadurch erkennen die Kommunikationspartner*innen, wo ein neuer Satz beginnt, ob es sich um eine Frage/Aussage handelt oder welches Wort in einem Satz besonders wichtig ist. Ein Satz mit vier Wörtern kann je nach Akzentuierung, Gliederung und Melodie eine ganz andere Aussage haben. Mag Frida Fritz? Mag Frida und Fritz mag nicht?
24.06.2021
Wer Kinder dabei beobachtet, was sie mit Pusteblumen machen, kommt sicher schnell auf die Antwort: Der umgangssprachliche Name des Löwenzahns – Pusteblume – hat seine Bezeichnung nicht ohne Grund erhalten. Einmal kräftig pusten und schon fliegen die kleinen Schirmflieger durch die Luft. Dafür braucht es eine gute Lippenspannung (Kussmund), sonst ist der Luftstrom nicht so gezielt. Diese Lippenspannung brauchen wir bei Lauten wie dem SCH oder P.
Um kräftig pusten zu können, benötigen wir außerdem die Spannung aus dem Bauch heraus (Zwerchfellaktivität). Das ist nicht nur beim Pusten relevant, auch beim Lachen, beim lauten Rufen (um nicht heiser zu werden) und um schwere Gegenstände hochzuheben. Gar nicht so leicht, was Kindern da schon gelingt.
Dass das Zwerchfell beim Lachen aktiv ist, merken wir spätestens nach einem Lachanfall: Hatten Sie auch schon mal Bauchschmerzen, wenn Sie sehr heftig lachen mussten?
16.06.2021
Wenn Ihnen dieser Satz bekannt vorkommt, dann habe ich einen Tipp für Sie, wie es Ihnen künftig gelingt, deutlicher und mit weniger Versprechern aufzutreten: Sprechen Sie Zungenbrecher!
Lassen wir uns das Wort auf der Zunge zergehen, dann mutet es schon etwas seltsam an, der Zungen-brecher, aber in der Tat fühlen sich manche Wörter so unaussprechlich an, dass wir zumindest das Gefühl einer gebrochenen Zunge verspüren.
Und warum ist es so nützlich, Zungenbrecher zu sprechen?
_ | Wir sprechen aufmerksamer. |
_ | Wir artikulieren deutlicher, präziser – im besten Falle auch im hohem Sprechtempo. |
_ | Wir lernen spielerisch etwas über die jeweilige Sprache. |
_ | Zungenbrecher machen einfach Spaß und Lachen ist gesund! |
31.05.2021
Füllwörter haben eine oder mehrere Funktionen, oft dienen sie uns als Denkpause.
Gleich vorweg: Es ist in Ordnung, »Ähm« zu sagen! Dennoch inspiriert mich meine Arbeit immer wieder dazu, das Thema aufzugreifen. Was uns bei eigenen Redebeiträgen manchmal gar nicht bewusst ist, fällt uns als Zuhörenden umso mehr auf: Über einen längeren Zeitraum ist es schwer, sich auf den Inhalt des Gesagten zu konzentrieren, so sehr lenken uns die »Ähms« ab.
Dem sind wir zum Glück nicht hilflos ausgeliefert, hier sind drei Tipps zum Umgang mit häufigen »Ähms«:
_ | Nehmen Sie sich selbst auf und achten Sie auf Ihre »Ähms«. Bewusstwerdung ist ein erster Schritt zur Verbesserung. |
_ | Auch wenn Sie dann denken, dass Sie häufiger »Ähm« sagen: Keine Sorge, es fällt Ihnen nur mehr auf! |
_ | Ersetzen Sie das »Ähm« durch eine Pause, klingt ungewöhnlich, ist aber sehr effektiv und kann in kleinen Schritten geübt werden. Zum Beispiel mit dieser Aufgabe: Nennen Sie ad hoc 5 Dinge, die … (rot sind, fliegen können, Ihr Arbeitsleben erleichtern etc.). |
Nachtrag: In einem Spiegel-Beitrag vom 22.02.2022 zum Thema Füllwörter wird der Sprachwissenschaftler Daniel Gutzmann zitiert. Er stellt den positiven Aspekt der kleinen Wörtchen heraus. Einen Tipp hat er aber für alle, die sie vermeiden wollen: Man könne statt eines Ähs versuchen, das Gesagte mit anderen Worten noch einmal neu wiederzugeben. So erhält man Zeit, man umgeht Sprechpausen und stärkt die Verständlichkeit der Aussage.
Weiterer Nachtrag: Am 15.03.2022 wurde in einem Beitrag von SWR2 über die Sinnhaftigkeit von Füllwörtern berichtet. Sie können nämlich zum besseren Verständnis beitragen. Sehr aufschlussreich fand ich die Ausführungen zum Wörtchen »genau«, das gleich mehrere Bedeutungen im Sprachgebrauch haben kann, heute aber oft inflationär als sogenanntes »Powerpoint-Genau« verwendet wird. Viel Spaß beim Reinhören!
24.05.2021
Diesen Satz habe ich im Diskurs um die Gender-Kennzeichnung in der Sprache schon oft gehört. Und zugegeben: In der gesprochenen Sprache fällt es mir auch nicht leicht, den Gender-Stern zu nutzen. Im Geschriebenen bin ich da konsequent(er).
Dabei ist es gar nicht so schwer, dieses kleine Sternchen auszusprechen – wir kennen es aus bekannten und häufig verwendeten Wörtern wie
The*ater,
Be*ate,
ge*ordnet.
Der Stern (hier nur exemplarisch verwendet) steht am vokalischen Silbenanfang. Dieser wird mit dem sogenannten Glottisschlag begonnen. Das ist ein kleiner Knacklaut, den wir mit den Stimmlippen im Kehlkopf bilden, wenn eine Silbe mit einem Vokal beginnt.
So ist es auch bei »Sprecher*innen«. Es verändert sich jedoch auch die Betonung: Bei der weiblichen Form »Sprecherinnen« betonen wir die erste Silbe »Sprech«. Kommt die Gender-Markierung hinzu, wandert die Betonung zur Silbe »in(nen)«.
Für welche Gender-Form auch immer Sie sich entscheiden: Die (komplizierte) Aussprache des Gender-Sternchens sollte kein Grund sein, diese Form zu vermeiden.
Nachtrag: Am 17.06.2021 hat Carolin Kebekus auf sehr humorvolle und unterhaltsame Weise den Glottisschlag in einem Musikvideo thematisiert. Sehenswert!
15.06.2022
Wie entsteht ein guter erster Eindruck?
Es gibt eine wiederkehrende Situation, die ich schon in verschiedenen Kontexten erlebt habe und die mich nachdenklich macht. Von einem Ereignis möchte ich Ihnen beispielhaft erzählen.
Ich sitze im Wartezimmer meiner Ärztin. Da ich schon öfter bei dieser Ärztin war, sind mir die Abläufe bekannt. Nach einer Weile werde ich aufgerufen und in Behandlungszimmer 3 gebeten.
Irgendwann kommt nicht meine Ärztin, sondern eine andere Frau im weißen T-Shirt hinein. Sie setzt sich mir gegenüber, schaut in ihren Computer, dann zu mir und fragt: »Welche Beschwerden haben Sie?«
Die Frage ist nicht unfreundlich gestellt, ich könnte direkt loslegen und von meinem Problem erzählen. Aber ich bin verunsichert. Wer ist die Frau? Ist sie die Sprechstundenassistenz, die vor der Behandlung schon einen Fragebogen mit mir durchgeht? Ist sie eine Ärztin im Praktikum, eine Vertretungsärztin, ist dies eine Gemeinschaftspraxis und ich habe das bisher nicht mitbekommen?
Ich weiß, Ärzt*innen haben oft nicht viel Zeit für einzelne Patient*innen. Dafür habe ich viel Verständnis.
Dennoch: Ein kurzer Satz zur Begrüßung kostet nicht viel Zeit und bewirkt (zumindest bei mir) Wunder: »Guten Tag Frau Diehl, ich bin Frau Dr. Schmidt und vertrete diese Woche Frau Dr. Schulze. Mit welchen Beschwerden kommen Sie heute hierher?«
Warum erzähle ich Ihnen diese Geschichte?
Dieser erste Eindruck ist so wichtig und gilt aus meiner Sicht auch für viele andere Situationen, in denen wir Kontakt zu Mitarbeiter*innen, Kund*innen und Klient*innen herstellen. Ein freundlicher Blick in die Augen, eine zugewandte Körperhaltung, die Nennung des eigenen Namens und die Ansprache der anderen Person mit Nennung ihres Namens.
Foto: Matthias Sasse
27.04.2022
Wenn Kinder nicht (gut) sprechen
Zu diesem Thema habe ich gestern im Auftrag vom Bildungswerk ver.di Sachsen-Anhalt e. V. ein Seminar für Erzieherinnen in Kindergärten geleitet.
Das Bild zeigt Themen, die im Zusammenhang mit dem Spracherwerb von Kindern erwähnt werden sollten und über die ich mit sehr aufgeschlossenen Teilnehmerinnen ins Gespräch gekommen bin.
10.03.2022
Miete oder Mitte?
Das Foto ist 2016 im Goethe-Institut in Hanoi entstanden. Damals habe ich mit zwei Kolleginnen für mehrere Monate zusammengearbeitet, um die Lehrenden für das Thema Aussprache im Deutschunterricht zu sensibilisieren. An der Tafel halten wir unsere Vorgehensweise fest, die ich auch heute verfolge, wenn ich Aussprachetrainings durchführe:
1. | Das Gehör muss sich an eine neue Sprache und auch an neue Laute gewöhnen. Hörübungen sind extrem wichtig! Es geht darum, phonetische Merkmale auditiv zu erkennen und sie zu unterscheiden (z. B. lange und kurze Vokale in Miete / Mitte). |
2. | Danach gilt es, sich phonetische Merkmale bewusstzumachen. Die Lernenden erarbeiten sich Regelmäßigkeiten (z. B. dass ein E am Wortende, wie in Miete und Mitte, immer unbetont und nicht gespannt wie das E in See ist) und verstehen Sprechbewegungsabläufe. |
3. | Schließlich folgt der dritte Schritt: Das Üben. Die erarbeiteten und entdeckten Regelmäßigkeiten werden trainiert und Sprechbewegungsabläufe automatisiert. Ein beliebtes Automatisierungsspiel ist „Koffer packen“, dabei wird ein bestimmter Satzteil immer wiederholt, so dass sich Sprechmuster einprägen können. |
Ich wünsche Ihnen, dass Sie gut verstehen und verstanden werden!
22.02.2022
Sprache im Wandel
Im Spätsommer 2021 saß ich mit drei sehr interessanten Frauen im #Kulturkollektiv in Magdeburg und war Teil einer Gesprächsrunde. Die Fragestellung war: Wie reden wir mit und über andere und welche Auswirkungen hat das auf die Gesellschaft?
Nun ist das Interview im Magazin präsent erschienen. Es beinhaltet viele besondere Beiträge von Magdeburger*innen und zeigt, wie vielfältig unsere Stadt und die Gesellschaft ist.
Schön, dass ich ein Teil davon sein kann!
Titelfoto der Ausgabe: Julia Skopnik
18.01.2022
Richtich jute Worte.
Die Initiative #lieblingskietz im Magdeburger Stadtteil Stadtfeld gibt kleinen Läden, Geschäften, Cafés und Kneipen ein Gesicht. Seit vergangenen Freitag gehöre ich auch dazu: zu den „richtich juten Leuten mit ihrem richtich juten Zeug und ihren richtich juten Ideen“ :-).
Ich freue mich sehr über diese Sichtbarkeit im neuen Jahr und danke dem Geschäftsstraßenmanagement für das tolle Engagement!
Bild: lieblingskietz
21.12.2021
Plätzchen essen und besser sprechen?
Das klingt erstmal paradox, aber mit der richtigen Technik können alle Naschkatzen stimmlich und sprecherisch vom Plätzchenessen profitieren.
Bevor der Mensch sprechen konnte, hat er schon gekaut. Und fürs Sprechen benötigen wir dieselben Muskeln wie fürs Kauen. Wenn wir das Plätzchen nun ganz genüsslich kauen und dabei wohlig vor uns hin summen – mmmjom mmmjam mmmjum – dann tun wir unserer Stimme und unserer Aussprache einen großen Gefallen. Die Stimm- und Sprechorgane sind durch lockere Spannungsverhältnisse und Artikulationsbewegungen sehr entspannt. Und durch eine ausgiebige Kieferöffnung wirken wir einer undeutlichen Aussprache (dem sogenannten Nuscheln) entgegen.
Advents- und Weihnachtszeit ist Plätzchenzeit, guten Appetit!
07.12.2021
Wer kennt das nicht?
Dieses eine Lied, dass wir morgens im Radio gehört haben, will einfach nicht aus dem Kopf verschwinden. Und zwar den ganzen Tag lang!
Ich schlage vor, dieses Phänomen ab sofort ganz positiv zu sehen und den Ohrwurm für ein kleines stimmliches Warm up zu nutzen: In meinem Kopf ist also dieser Song – sagen wir „Poster Girl“ von Mar Malade. Er will nicht verschwinden, also summe ich ihn vor mich hin. Mit geschlossenen Lippen, ganz unverkrampft. Hmmhmmhmm hmhmhm hmmmm …
Unsere Stimmlippen im Inneren des Kehlkopfes erhalten dadurch eine kleine Massage. Vor dem ersten Meeting kommt die Stimme somit schon mal in Schwung. Vor dem zweiten Meeting übrigens auch :-).
Welchen Ohrwurm hatten Sie zuletzt im Kopf?
16.11.2021
Drei Tipps gegen Lampenfieber
ATMEN: Diese Übung geht im Liegen, Sitzen oder Stehen: Schließen Sie die Augen und atmen Sie. Ruhig einatmen, ruhig ausatmen. Am besten durch die Nase. Einatmen, ausatmen. Schicken Sie Ihre Aufmerksamkeit nun direkt auf Ihren Bauch. Atmen Sie dorthin und beobachten Sie, wie sich die Bauchdecke beim Einatmen hebt und beim Ausatmen senkt. Sie werden ruhiger und sind dadurch für einen Moment nur auf Ihre Atmung konzentriert, nicht auf das was vorher war oder noch kommt. Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen, einatmen, ...
DEN EINSTIEG ÜBEN: Lampenfieber wird oft kleiner, wenn Sie gut vorbereitet sind. Dann ist eine Unsicherheit aus der Welt geschafft. Was ist aber, wenn Sie moderieren? Das lässt sich nicht so detailliert vorbereiten wie bspw. eine PowerPoint-Präsentation. Da hilft es sehr, den Anfang zu üben: Wie leiten Sie die Veranstaltung ein? Überlegen Sie sich Ihre Worte genau und sprechen Sie sie ein paar Mal durch. So reden Sie Sich warm, im Idealfall vor einem (kleinen) Testpublikum.
REALITY CHECK: Sie sind sehr gut vorbereitet, haben bewusst geatmet und den Einstieg geprobt. Und trotzdem ist das Lampenfieber noch da. Was nun? Prüfen Sie die Fakten und verzetteln Sie sich nicht in Ihren (unrealistischen) Befürchtungen. Hätten Sie sich (noch) besser vorbereiten können? Vermutlich nicht. Wie oft haben Sie schon vor anderen gesprochen und es kam gut an? Sicher schon einige Male, sonst hätte man Sie für diesen Auftritt nicht eingeladen.
20.10.2021
Hochdeutsch und Tiefdeutsch
In der ZEIT gibt es jede Woche die Rubrik „Wortschatz“. Darunter sind oft sehr schöne, meistens aus der Mode gekommene Begriffe. Diese Woche gibt es zum Wort auch eine niedliche Anekdote.
Mich verleitet sie sofort dazu, aus dem Expertinnen-Nähkästchen zu plaudern. In der Sprach- und Sprechwissenschaft wird nämlich nicht der Begriff „Hochdeutsch“ verwendet.
Die (Aus-)Sprache, die in Schulen gelehrt und gesprochen wird, die in vielen öffentlich-rechtlichen Medien präsent ist und zur allgemein verständlichen Kommunikation beiträgt, wird in Fachkreisen „Standard(aus)sprache“ genannt. Und für alle, die noch mehr vertragen: Dialekte werden im deutschsprachigen Raum als Varietäten bezeichnet.
Der Begriff „Hochdeutsch“ suggeriert, dass es sich um besseres Deutsch handelt. So ging es vermutlich dem vierjährigen Enkelsohn, der das Wort „Tiefdeutsch“ entgegensetzt. Natürlich ist Hochdeutsch nicht besser als ein Dialekt, es trägt aber häufig zu mehr Verständlichkeit bei.
Welches (seltene) Wort aus Ihrem Sprachgebrauch mögen Sie gern?
12.10.2021
Sprache und Macht
Zu diesem Thema war ich am Wochenende Teil einer sehr diskussionsfreudigen Runde. Für die Vorbereitung habe ich mich mit Lektüre eingedeckt, die ich sehr empfehlen kann:
Jessica Bennett (2018): Feminist Fight Club. Wie sich Frauen am Arbeitsplatz erfolgreich durchboxen.
Kübra Gümüsay (2021): Sprache und Sein.
Daphna Joel mit Luba Vikhanski (2021): Das Gehirn hat kein Geschlecht. Wie die Neurowissenschaft die Genderdebatte revolutioniert.
GEO (09/2021): Wie gerecht ist Sprache? Der erbitterte Streit um das Gendern und eine bessere Gesellschaft.
Anatol Stefanowitsch (2018): Eine Frage der Moral. Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen.
29.09.2021
Über das Zuhören als unterschätzte Eigenschaft
Ich habe schon einmal übers Zuhören geschrieben, nämlich darüber, dass Zuhören eine Kunst ist. In den meisten Fällen macht es mir Spaß, zuzuhören und das ist auch mein Job: Ich höre zu, damit ich anschließend ein Feedback auf feinste Nuancen geben kann, z. B. in der Aussprache.
Zuhören ist jedoch nicht immer leicht. Wer über ein gesundes Hörorgan verfügt, kann hören. Aber um zuhören zu können brauchen wir u. a.
_ | ein Verständnis für die Sprache, |
_ | Interesse am Thema, |
_ | Offenheit für Neues und |
_ | Aufmerksamkeit. |
Ich spreche während eines Gesprächs an, wenn mich etwas sehr ablenkt oder irritiert. Wenn dann das Radio ausgeschaltet wird oder wir ein ruhigeres Café gefunden haben, bin ich schlagartig viel aufmerksamer.
22.09.2021
Komm’ mal auf den Punkt!
Wer mich gut kennt, weiß, dass ich so einen Satz nicht laut sagen würde. Bestimmt fühlt sich der eine oder die andere aber angesprochen. Ich möchte Ihnen heute einige Tipps mitgeben, die dazu beitragen können, einen Dialog für beide Gesprächspartner*innen zu einem positiven Erlebnis zu machen.
In einem Gespräch ist es normal, dass sich unsere Gedanken BEIM Sprechen entwickeln, nicht davor. Heinrich von Kleist hat es 1805 so formuliert:
„Ich glaube, daß mancher großer Redner, in dem Augenblick, da er den Mund aufmachte, noch nicht wußte, was er sagen würde. Aber die Überzeugung, daß er die ihm nötige Gedankenfülle schon aus den Umständen, und der daraus resultierenden Erregung seines Gemüts schöpfen würde, machte ihn dreist genug, den Anfang, auf gutes Glück hin, zu setzen.“
Sprechängstliche Menschen machen häufig gar nicht erst einen Anfang. Von diesen Personen spreche ich heute jedoch nicht. Ich meine jene, die zwar einen Anfang wagen, oft aber keine Struktur haben und dann auch kein richtiges Ende finden.
Wenn Sie wissen, worauf Sie mit Ihrem Gesprächsbeitrag hinauswollen, dann können folgende Sprechtipps helfen, das Gesagte auch für Ihr Gegenüber zu einem schönen Erlebnis zu machen:
_ | Sprechen Sie nicht schneller, als Ihr Gegenüber mitdenken kann. Hilfreich dafür ist es, deutlich zu sprechen. |
_ | Machen Sie Pausen beim Sprechen. Das hilft dem Anderen beim Mitdenken. Und sicher auch Ihnen. |
_ | Setzen Sie wirklich einen Punkt ans Ende. Mit dem Absenken Ihrer Stimme wird das auch akustisch deutlich. Dadurch weiß die andere Person, dass ein Dialog erwünscht ist und sie reagieren kann. |
17.08.2021
Mülle grazie!
Die Stadt Hamburg hat ihre Mülleimer verkleidet. Vergangene Woche musste ich sehr schmunzeln, als ich diesen hier entdeckt habe.
Weil es ein schönes Wortspiel ist? Nicht nur!
Denn das kann auch den Magdeburger*innen passieren:
_ | Aus Wäsche wird Wösche, |
_ | aus Elf wird Ölf, |
_ | aus Brille wird Brülle. |
Und wer weiß, vielleicht spricht auch mal jemand „Mülle grazie!“ statt „Mille grazie!“.
05.08.2021
Sommerzeit ist Balkonzeit
Heute Morgen habe ich einen kurzen Radiobeitrag gehört, in dem die Anmoderation „Balkoooon“ und die Sprecherin des Beitrags „Balkong“ sagte. Verwirrend, oder? Wie wird das Wort Balkon denn nun richtig ausgesprochen?
Antwort: Es kommt darauf an.
Für mich gibt es zwei Instanzen: Wie höre ich es in meinem Umfeld und was sagen der Duden oder das Deutsche Aussprachewörterbuch (DAWB)?
Die Universität Salzburg hat 2017 eine Umfrage dazu erhoben. Man kann grob sagen: In der Mitte und im Norden Deutschlands spricht man „Balkong“, im Süden „Balkoon“.
Im Duden und im DAWB steht neben der eingedeutschten Variante „Balkong“ auch die Originalaussprache mit französischem Nasalvokal am Wortende, denn auch diese Aussprache findet sich in einigen Regionen Deutschlands, die Nähe zur französischen Grenze haben. Der Duden hat zudem die süddeutsche Aussprache „Balkoon“ aufgenommen.
Und wie sprechen Sie Balkon aus?
28.07.2021
Glückspilz
Zurzeit habe ich einen Auftrag beim Goethe-Institut in Vietnam. Ich entwickle Material mit Übungen für eine verständliche deutsche Aussprache.
Wörter wie GLÜCKSPILZ sind eine große Herausforderung für vietnamesische Deutschlerner*innen. Da stecken nämlich viele komplexe Konsonantenverbindungen drin:
GL – CKS – LZ
Der Buchstabe Z besteht sogar aus zwei Lauten, [t] und [s].
Fallen Ihnen auch schwierige deutsche Wörter ein? Brauchen Sie Unterstützung beim Erlernen der deutschen Aussprache? Sprechen Sie mich an!
20.07.2021
Vormittagslektüre
Dieses Buch kann ich sehr empfehlen:
René Borbonus schreibt so klar und verständlich, dass ich große Lust habe, ihn mal wieder sprechen zu hören. Er schreibt anschaulich darüber, wie wir in unserer Kommunikation mehr Klarheit gewinnen. Wie können wir klar kommunizieren, uns also verständlicher ausdrücken? Ich habe viel über heilige Kühe, Klarheitsbremsen und Schwarmintelligenz gelernt.
08.07.2021
Mit Dialektsprecher*innen arbeite ich wie folgt: Wir beschäftigen uns damit, wie der entsprechende Laut korrekt gebildet wird und probieren verschiedenste Übungen zur Veränderung aus. Nicht alles passt zu jeder Person. Ganz entscheidend ist daneben noch etwas anderes:
DAS HÖREN
Kinder lernen ihre Erstsprache über ihr Gehör, sie nehmen Geräusche, Melodien und Laute wahr und versuchen, diese zu imitieren. Nicht anders ist das bei uns Erwachsenen, wenn wir eine neue Sprache erlernen, wir uns von einem Dialekt lösen oder ihn imitieren möchten.
Dazu hören wir uns gemeinsam immer wieder Sprechproben an. Meine Klient*innen vergleichen ihre eigene Aussprache mit der Standardaussprache. Es wird gehört, geübt, gesprochen und gehört, geübt, gesprochen usw. (Sprech-)Gewohnheiten ändern sich zumeist nicht von heute auf morgen. Ich unterstütze Sie dabei, dass es sich leicht anfühlt.
30.06.2021
Wer eine fremde Sprache erlernt, braucht nicht nur Wissen über Grammatik, Wortschatz und Satzbau, sondern auch über die Phonetik (= Aussprache).
In der Phonetik wird in zwei Gebiete unterteilt:
Es gibt die Laute (Segmente), die je nach Herkunftssprache bei gleicher Schreibweise eine ganz diverse Realisierung im Vergleich zum Deutschen haben können, z. B. <th> im Englischen oder <r> im Japanischen.
Über den Lauten (suprasegmental) liegen Phänomene, die den typischen Klang einer Sprache ausmachen: Wortakzent, Satzakzent, Pausen und Melodie. Dadurch erkennen die Kommunikationspartner*innen, wo ein neuer Satz beginnt, ob es sich um eine Frage/Aussage handelt oder welches Wort in einem Satz besonders wichtig ist. Ein Satz mit vier Wörtern kann je nach Akzentuierung, Gliederung und Melodie eine ganz andere Aussage haben. Mag Frida Fritz? Mag Frida und Fritz mag nicht?
24.06.2021
Wer Kinder dabei beobachtet, was sie mit Pusteblumen machen, kommt sicher schnell auf die Antwort:
Der umgangssprachliche Name des Löwenzahns – Pusteblume – hat seine Bezeichnung nicht ohne Grund erhalten. Einmal kräftig pusten und schon fliegen die kleinen Schirmflieger durch die Luft. Dafür braucht es eine gute Lippenspannung (Kussmund), sonst ist der Luftstrom nicht so gezielt. Diese Lippenspannung brauchen wir bei Lauten wie dem SCH oder P.
Um kräftig pusten zu können, benötigen wir außerdem die Spannung aus dem Bauch heraus (Zwerchfellaktivität). Das ist nicht nur beim Pusten relevant, auch beim Lachen, beim lauten Rufen (um nicht heiser zu werden) und um schwere Gegenstände hochzuheben. Gar nicht so leicht, was Kindern da schon gelingt.
Dass das Zwerchfell beim Lachen aktiv ist, merken wir spätestens nach einem Lachanfall: Hatten Sie auch schon mal Bauchschmerzen, wenn Sie sehr heftig lachen mussten?
16.06.2021
Wenn Ihnen dieser Satz bekannt vorkommt, dann habe ich einen Tipp für Sie, wie es Ihnen künftig gelingt, deutlicher und mit weniger Versprechern aufzutreten: Sprechen Sie Zungenbrecher!
Lassen wir uns das Wort auf der Zunge zergehen, dann mutet es schon etwas seltsam an, der Zungen-brecher, aber in der Tat fühlen sich manche Wörter so unaussprechlich an, dass wir zumindest das Gefühl einer gebrochenen Zunge verspüren.
Und warum ist es so nützlich, Zungenbrecher zu sprechen?
_ | Wir sprechen aufmerksamer. |
_ | Wir artikulieren deutlicher und präziser, im besten Fall auch im hohen Sprechtempo. |
_ | Wir lernen spielerisch etwas über die neue Sprache. |
_ | Zungenbrecher machen einfach Spaß und lachen ist gesund! |
31.05.2021
Füllwörter haben eine oder mehrere Funktionen, oft dienen sie uns als Denkpause.
Gleich vorweg: Es ist in Ordnung, „Ähm“ zu sagen! Dennoch inspiriert mich meine Arbeit immer wieder dazu, das Thema aufzugreifen. Was uns bei eigenen Redebeiträgen manchmal gar nicht bewusst ist, fällt uns als Zuhörenden umso mehr auf: Über einen längeren Zeitraum ist es schwer, sich auf den Inhalt des Gesagten zu konzentrieren, so sehr lenken uns die „Ähms“ ab.
Dem sind wir zum Glück nicht hilflos ausgeliefert, hier sind drei Tipps zum Umgang mit häufigen „Ähms“:
_ | Nehmen Sie sich selbst auf und achten Sie auf Ihre „Ähms“. Bewusstwerdung ist ein erster Schritt zur Verbesserung. |
_ | Auch wenn Sie dann denken, dass Sie häufiger „Ähm“ sagen: Keine Sorge, es fällt Ihnen nur mehr auf! |
_ | Ersetzen Sie das „Ähm“ durch eine Pause, klingt ungewöhnlich, ist aber sehr effektiv und kann in kleinen Schritten geübt werden. Zum Beispiel mit dieser Aufgabe: Nennen Sie ad hoc 5 Dinge, die … (rot sind, fliegen können, Ihr Arbeitsleben erleichtern etc.). |
Nachtrag: In einem Spiegel-Beitrag vom 22.02.2022 zum Thema Füllwörter wird der Sprachwissenschaftler Daniel Gutzmann zitiert. Er stellt den positiven Aspekt der kleinen Wörtchen heraus. Einen Tipp hat er aber für alle, die sie vermeiden wollen: Man könne statt eines Ähs versuchen, das Gesagte mit anderen Worten noch einmal neu wiederzugeben. So erhält man Zeit, man umgeht Sprechpausen und stärkt die Verständlichkeit der Aussage.
Weiterer Nachtrag: Am 15.03.2022 wurde in einem Beitrag von SWR2 über die Sinnhaftigkeit von Füllwörtern berichtet. Sie können nämlich zum besseren Verständnis beitragen. Sehr aufschlussreich fand ich die Ausführungen zum Wörtchen »genau«, das gleich mehrere Bedeutungen im Sprachgebrauch haben kann, heute aber oft inflationär als sogenanntes »Powerpoint-Genau« verwendet wird. Viel Spaß beim Reinhören!
24.05.2021
Diesen Satz habe ich im Diskurs um die Gender-Kennzeichnung in der Sprache schon oft gehört. Und zugegeben: In der gesprochenen Sprache fällt es mir auch nicht leicht, den Gender-Stern zu nutzen. Im Geschriebenen bin ich da konsequent(er).
Dabei ist es gar nicht so schwer, dieses kleine Sternchen auszusprechen – wir kennen es aus bekannten und häufig verwendeten Wörtern wie
The*ater,
Be*ate,
ge*ordnet.
Der Stern (hier nur exemplarisch verwendet) steht am vokalischen Silbenanfang. Dieser wird mit dem sogenannten Glottisschlag begonnen. Das ist ein kleiner Knacklaut, den wir mit den Stimmlippen im Kehlkopf bilden, wenn eine Silbe mit einem Vokal beginnt.
So ist es auch bei „Sprecher*innen“. Es verändert sich jedoch auch die Betonung: Bei der weiblichen Form „Sprecherinnen“ betonen wir die erste Silbe „Sprech“. Kommt die Gender-Markierung hinzu, wandert die Betonung zur Silbe „in(nen)“.
Für welche Gender-Form auch immer Sie sich entscheiden: Die (komplizierte) Aussprache des Gender-Sternchens sollte kein Grund sein, diese Form zu vermeiden.
Nachtrag: Am 17.06.2021 hat Carolin Kebekus auf sehr humorvolle und unterhaltsame Weise den Glottisschlag in einem Musikvideo thematisiert. Sehenswert!